…, des Lied ich sing

Das ist euch sicher auch schon passiert: In einem Interview erklärt ein(e) Expertin/e einer Organisation mit wichtig klingendem Namen die Welt – und ihr wundert euch, was hinter dieser Organisation steckt? Oder nehmt ihr den Namen einfach beeindruckt zur Kenntnis und unterstellt, die Frau/der Mann werde schon Ahnung haben? Für mich ein Anlass, über Beeinflussung der öffentlichen Meinung nachzudenken. Ich möchte diese Analyse am Begriff der Nichtregierungsorganisation (oder englisch Non-Governmental Organization, NGO) festmachen.

In autoritären Staaten werden NGOs gerne schikaniert oder ganz verboten. Darüber empören wir uns zu Recht: In einer freien Gesellschaft muss es BürgerInnen erlaubt sein sich organisieren, um an Themen und Zielen zu arbeiten, die aus ihrer Sicht durch die Regierung nicht ausreichend bearbeitet werden, bearbeitet werden können oder sollen.

Die Weltbank sieht als mögliche Ziele einer NGO (etwas idealistisch): Leid zu mindern, die Interessen der Armen in der Öffentlichkeit zu vertreten, die Umwelt zu schützen, grundlegende soziale Dienste zu leisten oder Aktionen für Entwicklungsvorhaben zu initiieren.

Aus einer nicht ganz so idealistischen Sicht ist jede Gewerkschaft und jeder Unternehmerverband eine NGO. Und das macht die Bewertung einer NGO oft schwierig.

Bekannte Beispiele für NGOs in Deutschland sind BUND, Greenpeace, WWF, Amnesty International, Transparency International und viele mehr. Diesen Organisationen ist gemeinsam, dass sie sich fast ausschließlich aus Mitgliederbeiträgen finanzieren. Obwohl es auch an den eben genannten Organisationen Kritik gibt, sind zumindest Ziele und Finanzierung dieser Organisationen transparent.

Im Fahrwasser dieser Bürger-NGOs beanspruchen auch große Stiftungen wie die Bertelsmann-Stiftung, Bill & Melinda Gates Foundation und die Open Society Foundations, zum Wohle der Allgemeinheit zu agieren. Ich will hier nicht auf die jeweiligen Verdienste oder Verfehlungen der genannten Organisationen eingehen (das wäre jeweils einen eigenen Artikel wert) oder gar Verschwörungserzählungen nachplappern. Wichtig ist: Diese Nichtregierungsorganisationen werden nicht von ihren Mitgliedern finanziert, sondern von Menschen mit viel Geld.

Noch spannender sind die diversen Denkfabriken (englisch Think-Tanks), die „Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen und sie so im Sinne von Politikberatung fördern“ (Wikipedia). Diese treten gerne als eine Art NGO auf und reklamieren eine entsprechende Schutzwürdigkeit für sich.

Bei vielen Denkfabriken ist offensichtlich, welche Interessen sie vertreten. So hat jede im Bundestag vertretene Partei ihren eigenen Think-Tank, benannt nach Adenauer, Ebert, Böll, Rosa-Luxemburg, usw.

Die Interessen der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (eine von den Arbeitgebern finanzierte Lobbyorganisation) sind inzwischen vielen deutschen BürgerInnen bekannt, aber der leicht irreführende Titel wurde natürlich mit Absicht gewählt.

Und damit zu den Denkfabriken, deren Zweck nicht immer offensichtlich ist.

Relativ bekannt ist die Atlantikbrücke, die sich „Bildungs-, wissenschaftliche, kulturelle und mildtätige Zwecke sowie die Förderung der Völkerverständigung“ zwischen den USA und Europa auf die Fahnen geschrieben hat. Ein Blick auf die Mitgliederliste zeigt: Hier versammeln sich USA-freundliche Politiker, Industrievertreter und konservative Journalisten – also wenig Wissenschaft, Kultur und Mildtätigkeit. Dagegen hat sich die Atlantikbrücke als Kaderschmiede für deutsche Politiker – auch der Grünen (Cem Özdemir, Annalena Baerbock u.a.) – hervorgetan. Eine schöne Form der direkten Beeinflussung von Entscheidungsträgern. Und wer finanziert die ganze Sache? Spender und vor allem Banken!

Nicht so bekannt ist die Stiftung Wissenschaft und Politik, die die Bundesregierung beraten soll. Die Stiftung wurde auf Initiative des Bundesnachrichtendienste gegründet und wird hauptsächlich aus dem Haushalt des Bundeskanzleramtes finanziert. Das prominenteste Gesicht dieser Stiftung ist im Augenblick die sicherheitspolitische Sprecherin Claudia Major – eine energische Befürworterin von Waffenlieferungen an die Ukraine. Diese Meinung darf sie natürlich vertreten, aber es sollte natürlich nicht in den Medien der Eindruck erweckt werden, dass hier eine unabhängige Wissenschaftlerin ihre Meinung äußert.

Das Land der Think-Tanks sind natürlich die USA: finanziert entweder direkt von der Regierung, von Interessenverbänden oder einfach von Menschen mit Vermögen. Die Liste in Wikipedia ist bei weitem nicht vollständig. Aber Hand auf’s Herz: Welche von den in Wikipedia gelisteten Organisationen könntest Du einordnen?

Einige dieser Think-Tanks sind weltweit aktiv und versuchen, politische Entscheidungen in anderen Ländern zu beeinflussen, was einige der betroffenen Länder verärgert. Und das führt dann zu den eingangs erwähnten Schikanen und Verboten. Wenn das betroffene Land offen autoritär ist (z.B. Russland), sympathisieren wir mit den schikanierten Organisationen. Aber wenn eine demokratisch gewählte Regierung (wie in Georgien) sich gegen externe Beeinflussung wehrt, sollten wir etwas genauer hinschauen.

Nun könnte ich endlos Denkfabriken beleuchten, würde damit aber vermutlich die LeserInnen langweilen. Nichtsdestotrotz sollten wir alle viel genauer hinhören, wenn uns mal wieder in einer Talk-Runde ExpertInnen aus der Stiftung/Denkfabrik „Zur Förderung von …“ präsentiert werden:

  • Was ist der Zweck dieser Organisation?
  • Wer finanziert diese Organisation?
  • Welche Interessen verfolgen die Finanziers?

Die Medien klären uns leider in der Regel nicht darüber auf.

Wikipedia ist ein guter Einstiegspunkt für eigene Nachforschungen.

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