Goethes Faust reloaded

… Der Werte-Westen werde nun autokratische Regime in ihre Schranken weisen … Lichtgestalten wie Joe Biden und Annalena Baerbock redeten endlich Klartext … Putin werde in der Welt isoliert werden … Man werde China in die Schranken weisen …

So hören sich Einschätzungen aus der deutschen Politik und in den deutschen Medien an. Viele aktuelle Nachrichten scheinen dem aber zu widersprechen:

  • China ist trotz vielfacher Ermahnungen nicht bereit, Russland fallen zu lassen.
  • China vermittelt im Streit zwischen Iran und Saudi-Arabien.
  • Es kommt zu einer Wiederannäherung zwischen dem lange geächteten Syrien und anderen arabischen Ländern.
  • Viele (auch demokratische) Länder in Afrika, Asien und Latein-Amerika zeigen wenig Begeisterung, dem Wertewesten bei seiner Kampagne für eine bessere Welt zu folgen.
  • Es gibt erste Versuche, einen weltweiten Zahlungsverkehr ohne den US-Dollar organisieren.

Wird hier das Faust-Zitat „ein Teil von jener Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ auf den Kopf gestellt? Für mich sieht es genauso aus:

  • Joe Biden ist schon bei seiner Antrittsrede 2021 Russland und China gleichzeitig angegangen und hat damit einen Zweifronten-Krieg eröffnet.
  • Auch nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat der Westen keineswegs diplomatisches Geschick gezeigt, sondern die seit 1949 vor sich hin köchelnde Taiwan-Frage auf höhere Flamme gestellt.
  • All das hat China und Russland zusammen geschweißt.
  • Auch bei allen anderen Regierungen, die kein ideales Verhältnis zu den USA haben, entstand die Angst vor einem Domino-Effekt: erst fällt Russland, dann wird China unter Druck gesetzt … und sind wir dran.
  • Dazu kommen noch die Staaten, die schlechte Erfahrungen mit dem Gewinnstreben der westlichen Werte-Gemeinschaft gemacht haben. Und das sind nicht gerade wenige.

Und so sehen wir gerade eine Zweiteilung der Welt:

  • Ein Westen, der sich auf einem gerechten Kreuzzug gegen das Böse sieht und sich gar nicht vortellen kann, dass das Schicksal nicht auf seiner Seite steht.
  • Einen feindseeligen oder zumindest skeptischen Rest, der beweifelt, dass er sich in einer von den USA dominierten Welt wohlfühlen würde.

3 Kommentare zu „Goethes Faust reloaded

  1. Wie ich schon an anderer Stelle zitiert hatte (hier mit Link und kürzer):
    „… Wer selbst viele Fehler hat, ist wenig glaubwürdig, um andere zu belehren. Versuche, andere zum eigenen Vorteil zu untergraben und die Welt zu destabilisieren, müssen einhellig abgelehnt werden. Eine Schwarz-Weiß-Einteilung von Ländern in demokratisch oder autoritär ist sowohl anachronistisch als auch willkürlich. Was unsere Welt heute braucht, ist nicht, im Namen der Demokratie die Spaltung zu schüren und de facto einen auf Vorherrschaft ausgerichteten Unilateralismus zu betreiben, sondern Solidarität und Zusammenarbeit zu stärken und einen echten Multilateralismus auf der Grundlage der Ziele und Grundsätze der UN-Charta zu wahren. …“

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    1. Danke für den Link. Beim Durchlesen ist mir noch ein zweiter Gedanke gekommen, der einen eigenen Blog-Eintrag wert wäre: Je mehr Zweifel die Bevölkerung der westlichen Welt an den Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe an Entscheidungen und an der Verteilungsgerichtkeit des Systems hat, desto aggressiver versucht der Wertewesten, seine eigenen Spielregeln zu exportieren.

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