Grüne Positionswechsel

In meinem letzten Blog-Eintrag hatte ich die ideologischen Verrenkungen der deutschen Grünen in den letzten Jahrzehnten beschrieben. Kommt jetzt ein weiteres Grünes Glaubensbekenntnis, die Energiewende beim Heizen, unter die Räder?

Habecks Entwurf für ein neues Gebäudeenergiegesetz war in den letzten Wochen unter starkem Beschuss. Durchaus zu recht: Der Glaube, man müsse nur gesetzliche Vorgaben machen und dürfe dann die Lösung der Detailfragen den Bürgern überlassen, ist aus meiner Sicht typisch „Grün“.

Nun wird zurückgerudert: Habeck bietet einen zeitlich gestaffelten Einstieg in die neuen Regelungen an, vielleicht werde man die Regeln erst mal nur für Neubauten anwenden, vielleicht werde man Einschränkungen für Pellet-Heizungen aufheben, …

Die Presse jubelt: „Endlich kommt Habeck zur Vernunft. Endlich herrscht Technologie-Offenheit.“

Ob Grund zum Jubeln vorliegt, muss sich noch zeigen. Wenn wir mal die Ideologie zur Seite schieben, ist gerade die Technologie-Offenheit eher Teil des Problems als Teil der Lösung.

Stellt euch vor, euch gehört eine Immobilie, deren Heizung den Geist aufgibt. Und nun müsst ihr eine neue Heizung einbauen. Welche Technologie wählt ihr – vor allem wenn ihr eine neue Lösung für die nächsten 30 Jahre sucht?

  • Eine Öl-Heizung wäre sicherlich die falsche Wahl, da für diesen Heizungs-Typ definitiv das Totenglöckchen geschlagen hat.
  • Da die meisten Gebäude heute eine Gas-Heizung haben, wäre ein Ersatz in derselben Technologie die naheliegende Lösung. Nur:
    • Wie hoch wird in 15 Jahren der Gaspreis sein?
    • Kommt diese Technologie in den nächsten zehn Jahren endgültig auf den Index, wenn die Folgen der Klimaüberhitzung sich weiter manifestieren?
    • Schalten die lokalen Gasversorger die Gas-Leitungen in den Wohnquartieren irgendwann ab, weil es zu wenig Nachfrage gibt?
  • Fernwärme hat den Vorteil, dass die Umstellung auf nicht-fossile Energieträger zentral vom Anbieter geleistet wird und der Kunde aus der Sache raus ist. Wo allerdings keine Fernwärme-Leitung liegt, kann ein Haus auch nicht angeschlossen werden. Ich kenne sogar Fälle, bei denen zwar Leitungen im Wohngebiet gelegt wurden, aber die zuständigen Stadtwerke wenig Interessen zeigten, für kleine Einheiten einen Anschluss zu schaffen.
  • Wasserstoff ist der große Joker der Energiewende. Wofür wird dieser nicht alles benutzt werden: Stahlherstellung, e-Fuels, Schiffsverkehr, … und nun auch zum Heizen. Stand heute gibt es keine verlässlichen Vorhersagen, wie viel Wasserstoff in zehn Jahren zur Verfügung stehen wird. Und vor allem gibt es heute in der Regel keine Wasserstoffleitung, an die ein Haus angeschlossen werden kann. Wenn ihr auf Wasserstoff zum Heizen spekuliert, müsst ihr eine Gas-Heizung kaufen, die auch Wasserstoff verbrennen kann. Wenn der Wasserstoff nicht kommt, habt ihr in eine (überteuerte) Gas-Heizung investiert – mit all den Fragen, die das Heizen mit Gas aufwirft.
  • Holz-Pellets als Heizmittel sind hoch umstritten. Die ursprüngliche Idee, Holzabfälle zu verbrennen, anstatt sie verrotten zu lassen, leidet inzwischen an Abfallmangel. Zunehmend wird speziell zur Pellet-Erzeugung gesunder Wald abgeholzt. Wald, in dem angeblich CO2 gebunden werden soll. Die Mär vom nachwachsenden Energieträger Holz wird immer mehr zum Green-Washing. Wenn ihr hier investiert, müsst ihr damit rechnen, in einigen Jahren Brennstoff nur zu hohen Preisen zu bekommen – wenn überhaupt noch.
  • Die Wärmepumpe ist inzwischen das rote Tuch der Gegner einer Heizungswende. Dabei ist die Idee, mit einem abgewandelten Kühlschrank die Außenluft oder das Erdreich zu kühlen und die Abwärme dieses Prozesses zum Heizen zu benutzen, so verkehrt nicht: Wenn alles gut läuft, holt man damit aus 1 KWh Strom 3-4 KWh Heizenergie.
    Der Teufel liegt eher im Detail:
    • Die Wärmepumpe braucht Strom. Solange zur Stromerzeugung noch massiv fossile Energieträger benutzt werden, können wir nicht wirklich von Heizen ohne CO2-Ausstoss sprechen.
    • Die Voraussetzungen für den Einsatz einer Wärmepumpe sind unklar. Ursprünglich sollte das Haus gut gedämmt sein und eine Fußbodenheizung besitzen. Inzwischen werden diese Voraussetzungen relativiert. Ob diese Relativierung das Ergebnis neuer Überlegungen ist oder Marketing, muss sich noch erweisen.
    • Die gängigen Wärmepumpen sind für Einfamilienhäuser mit bis zu 200 m2 Wohnfläche entworfen. Es gibt wenig Erfahrung, wie diese Lösung für große Gebäude skaliert werden kann. Eine Hybrid-Lösung „Wärme-Pumpe + Gas-Heizung für Lastspitzen“ klingt plausibel, aber bringt wieder in die Abhängigkeit vom Erdgas – vor allem wenn die Wärmpumpe wenig zur Hybrid-Lösung beiträgt.
  • Wer ein eigenes Haus und genügend Geld hat, kann sich eine autarke Energieversorgung aufbauen: gute Isolierung, reichlich Solar-Panele auf dem Dach, Pufferspeicher für Strom und selbst gebrauten Wasserstoff im Keller, …

Es mag zur Entspannung der Diskussion beitragen, dass Habeck längere Übergangsfristen einräumen möchte. Habeck muss aber vor allem mit einem besseren Vorschlag kommt, wie die Energiewende beim Heizen sozialverträglich aufgegleist werden kann.

Die Bürger brauchen Orientierung bei den Fragen

  • Was tun, wenn es morgen nicht mehr brennt?
    • Welche Technologie soll ich wählen?
    • Wie lässt sich eine Umstellung kurzfristig finanzieren?
  • Wie viel Rücklagen muss ich bilden, um in einigen Jahren die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes erfüllen zu können?

Leider zeigt die Geschichte, dass die Grünen meist einen ungeordneten Rückzug hinlegen, wenn die Medien eine ihrer politischen Positionen sturmreif geschossen haben. Und dann versprechen die Grünen oft die Quadratur des Kreises, um bei niemandem anzuecken – siehe vorigen Post.

Es wäre absolut kontraproduktiv, wenn der Eindruck entstünde, dass die Dringlichkeit des Themas heruntergestuft wird: „Hat ja noch Zeit.“ Das war schon immer ein beliebter Ansatz bei Umweltthemen: Entscheidungen aufschieben & auf magische Lösung warten.

5 Kommentare zu „Grüne Positionswechsel

  1. … ist gerade die Technologie-Offenheit eher Teil des Problems als Teil der Lösung. BINGO! (aber bitte allgemein verstehen: Technologie hat uns dahin gebracht wo wir sind, Technologie soll uns jetzt weiter helfen??)

    Die Bürger brauchen Orientierung bei den Fragen … ja klar, nichts einfacher als das … m( (Du hast ja recht, aber ich wüsste gern, wer 40 Mio Bürger „orientiert“ und wie?)

    Like

    1. Die Diskussion in Deutschland liest sich mehr wie ein Glaubenskrieg („Der Staat soll uns nicht vorschreiben, wie wir heizen – das kann doch der Markt viel besser.“) als nach rationaler Problem-Lösung. Und in der Tat werden die Bürger massiv mit der Fiktion indoktriniert, es gebe da Lösungen, die wenig Änderungen erfordern und quasi umsonst sind.

      Bei rationaler Betrachtung sieht man aber, dass eine kaputte Heizung in jedem Fall die Investition in einen Ersatz verlangt. Und jede Lösung kostet Geld. Deshalb ist es manipulativ, Preise in den Raum zu stellen („Das ist aber teuer.“), ohne zum Vergleich den Preis für eine alternative Lösung zu nennen.

      Beispiel: Ich habe vor einigen Tagen ein Flugblatt der AfD im Briefkasten gefunden. Tenor: „Wärmepumpe + Wärmedämmung = unbezahlbar“. Suggerierte Alternative: „Fossiler Brenner – Wärmedämmung = kostet fast nix“. Das ist natürlich Unfug, weil sowohl die Wahl einer fossilen Heizung als auch der Verzicht auf Wärmedämmung Folgekosten nach sich zieht: vorhergesagte Verteuerung des Brennstoffs + erhöhter Wärmebedarf.

      Bei der Beschaffung der Ersatzlösung wird eine Technologie-Auswahl getroffen. Auch wenn die Technologie-gläubigen Deutschen sich wünschen, es möge jemand die Wundertechnologie erfinden, die alle Probleme löst, kann, wer heute entscheiden muss, nur aus dem vorhandenen Angebot auswählen.

      Rational betrachtet stellen sich folgende Fragen:
      – Welche Lösung ist über 30 Jahre unter Einbeziehung der laufenden Energiekosten und des Wartungsaufwands am günstigsten?
      – Lebe ich noch in 30 Jahren? Das bringt u.U. die Kalkulation durcheinander.
      – Wie kann ich die nötige Investition finanziell stemmen? Hier muss Habeck kreativ werden.
      – Was bedeutet die gewählte Lösung für den Klimaschutz? Diese Frage werden viele BürgerInnen, wenn es ums Geld geht, gerne ignorieren. Deshalb muss die Gesellschaft dafür sorgen, dass diese Frage berücksichtigt wird.

      Like

      1. Guten Morgen Thomas,

        Danke für Deinen Kommentar der Deinen Post sehr gut ergänzt/erläutert.

        Hast Du etwas dagegen, wenn ich Dinen Kommentar komplett auf MYTHOS
        übernehme und meinerseits noch etwas ergänze?

        Greets
        Helmut

        Like

      2. Damit habe ich kein Problem. (Solange die Quelle angegeben wird und Deine Ergänzungen gekennzeichnet sind – aber ich unterstelle, dass Du das eh so gemacht hättest ….)

        Like

  2. Thomas: Typischer weil sehr guter Kommentar von Dir. FACK. Allein der AfD-Beitrag ist unter aller Kanone: „Natürlich wollen wir den Kuchen behalten, wir wollen ihn aber auch aufessen!“ Tenor: Alles soll besser werden, aber nix soll sich ändern!

    Like

Hinterlasse einen Kommentar