Neoliberales Gedankengut im Deutschlandfunk

Die Indoktrination beginnt damit, dass man nahe liegende Fragen nicht stellt. Ein schönes Beispiel: Die positive Bewertung eines Fonds zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur im DLF.

Daher wieder mal ein empörter Hörerbrief.

(Siehe auch: Markt und Wirklichkeit)

=======================================

Sehr geehrte Damen und Herren

Am 17. April, 7:15,  wurde im DLF der NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer zum Thema Klimaziele befragt ( https://www.deutschlandfunk.de/interview-100.html ). In dem Interview ging es unter anderem um die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur und insbesondere um die Frage, ob private Kapitalanleger direkt zur Finanzierung herangezogen werden sollten. Krischer schien mir dieser Idee eher reserviert gegenüber zu stehen (da mag ich mich natürlich getäuscht haben), ihre Redakteurin schien mir begeistert zu sein. (Ist ja schließlich eine Idee der FDP: Die verstehen was von Geld.)
In der Zusammenfassung im 8:00 Nachrichtenblock wurde daraus ein „Krischer ist für privates Kapital …“. Die anderen Aspekte des Interviews kamen nur am Rande vor. Eine arg oberflächliche und inhaltlich entstellende Zusammenfassung des Interviews.

Sei’s drum.

Überhaupt nicht thematisiert wurde die Frage: „Ist ein Kapitalfond keine verdeckte Schuldenaufnahme?“

  • Egal, ob der Staat Kapital direkt am Kapitalmarkt aufnimmt oder einen Kapitalfond auflegt: Das Geld gehört den Anlegern, nicht dem Staat, müsste bilanztechnisch unter Außenstände verbucht werden.
  • Verzinsung erwarten die Anleger in beiden Fällen – bei Schulden nennt man’s ehrlich Zinsen, bei Fonds verschämt Rendite. In der Regel sind Renditeerwartung höher als Zinserwartungen.
  • Bei Fonds haben die Anleger einen größeren Einfluss auf Sachentscheidungen als bei direkter Schuldenaufnahme, da sie mit dem Abzug ihres Kapitals drohen können: Unsere Anlage steht nächstes Jahr zur Rückzahlung an. Wir legen das Kapital nur dann noch einmal in eurem Fond an, wenn …
  • Wenn Geld in Unternehmen angelegt wird, erwartet man Gewinne, die als Rendite ausgeschüttet werden können. Wo sollen in der Verkehrsinfrastruktur Gewinne erwirtschaftet werden? Vermutlich wird der Staat Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen müssen, um eine Rendite für einen Verkehrsinfrastruktur-Fond ausschütten zu können. Finanzpolitischer Irrsinn.

Die FDP-Idee könnte den Steuerzahler mehr kosten als eine „offizielle“ Erhöhung der Staatsschulden.

Und das ist mein Dauerproblem mit dem DLF: Bestimmte Dogmen ( https://redfirefrog.wordpress.com/2024/03/02/das-glaubensbekenntnis-der-radikalen-mitte/ ) werden im DLF nicht in Frage gestellt. In diesem Fall: „Privates Kapital? Coole Idee!“

Oder liegt es mal wieder an der mangelnden Fachkompetenz?

Dass FDP-Politiker und neoliberale Wirtschaftstheoretiker (z.B. Jürgen Mattes in der am selben Tag folgenden Sendung Europa heute, https://www.deutschlandfunk.de/schwaechelnde-wirtschaft-wo-steht-die-eu-im-vergleich-juergen-matthes-iw-dlf-97ffc4ac-100.html) im DLF ungebremst zu Wirtschaft und Finanzen schwadronieren können, spricht für diese Erklärung.


Aber Gott-sei-Dank gibt es ja im DLF jeden Werktag die Wirtschaftssendungen um 7:35 und 8:35, in denen Börsenlyrik über eingepreiste Ereignisse, Kurs-Rallyes, Jahresendspurt, Seitwärtsbewegungen, Champagner-Laune, Hoffnung auf Zinssenkung und enttäuschte Anleger, sowie Kalenderspruchweisheiten auf dem Niveau von „Hat der Kunde keine Lust zu kaufen, wird irgendwann der Markt absaufen.“ unters Volk gebracht werden. (Ein Sparvorschlag: Lassen Sie die Texte für diese Sendungen von ChatGPT generieren – das Ergebnis wäre sinnvoller als das, was im Augenblick an diesen Sendeplätzen läuft.)

„Wir sind der Deutschlandfunk, wir nehmen unseren Job ernst“ – wirklich?

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Damrau

Hinterlasse einen Kommentar